Page 9 - Lebensraum-2021
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Mittwoch, 17. November 2021 Lebensraum Zurzibiet 9
Um 4 Uhr stösst die langjährige Mitar-
beiterin Qendresa Destani dazu, die zur-
zeit eine zweijährige Lehre als Bäckerin
absolviert und sogleich ihrem Chef dabei
hilft, mit geübten Handgriffen Schoggi-
gipfeli zu formen. Der backfähige Schog-
giriegel muss an der richtigen Stelle aufs
Teigdreieck gesetzt und dann fachgerecht
umwickelt werden, bevor das Gipfeli ei-
nen Anstrich mit Eigelb erhält und in den
Ofen geschoben wird. Gegen 6 Uhr ist
dann für diesen Tag alles fertig gebacken.
Während Alex Eichholz jetzt noch Bre-
zeln mit Butter bestreicht, kümmert sich
der Chef schon um die Patisserie.
«So ein schöner Beruf»
Markus Gfeller steht nun in einem deutlich
kühleren Nebenraum. Hier vollendet er Tor-
ten und Desserts. Seine Karriere hatte er
als Confiseur begonnen, danach folgte die
Weiterbildung zum Bäcker-Konditor. Heute
arbeitet er in allen drei Funktionen, je nach-
dem, was gerade gebraucht wird. Ob nun Kurz nach 6 Uhr kann Karin Gfeller den Kunden die ersten Gipfeli verkaufen.
Brote, Patisserie oder hausgemachte Prali-
nés – er liebt die Abwechslung im Beruf, bei
dem man, wie er sagt, auch stets den Kopf beitszeiten zurechtkommen. Gfeller sagt: interessanten Job.» Den hat auch Markus
bei der Sache haben muss: «Wir müssen viel «Alles Einstellungssache. Wenn du es ger- Gfellers Ehefrau. Um 5.45 Uhr betritt Ka-
studieren bei der Arbeit. Hefe beispielswei- ne machst, kein Problem. Ein Pilot muss rin Gfeller gut gelaunt die Backstube, um
se reagiert bei Wärme im Sommer anders auch früh auf.» Es gebe auch Vorteile. Die Gipfeli und Co. für den Laden zu holen.
als im Winter. Man muss ein Gefühl dafür Mitarbeiterin, die den Nachmittag für ihr Kaum ist es 6 Uhr, kann sie mit einem er-
haben, muss vieles im Auge behalten. Wird Pferd nutzen kann, würde nichts anderes frischenden Lächeln die erste Kundin be-
abends ein Fenster offen gelassen, geht am wollen. Lehrlinge müssen heutzutage je- grüssen, die dankbar ihre Bestellung ab-
nächsten Morgen alles 15 Minuten länger.» doch einen Eignungstest für Nachtarbeit holt. Ein spannender Halbtag hinter der
machen: «Wenn man jung ist und auf die Theke beginnt, ehe sie am Nachmittag in
Gass will, wirds schwierig, mit zunehmen- die Filiale nach Döttingen wechselt. Hin-
Wenn es einfach passt dem Alter störts dann weniger.» Disziplin ten in der Backstube ist die Hauptarbeit
Natürlich will der Reporter wissen, wie der sei gefragt. «Alles geht nicht, aber wir be- für diesen Tag getan, doch es laufen schon
Chef und seine Mitarbeiter mit den Ar- kommen auch was dafür, nämlich einen die Vorbereitungen für den nächsten Tag.
Für Geschmack, Frische und Bekömmlichkeit
«Wer als Bäcker etwas auf sich hält, bleibt länger frisch und wird bekömm-
arbeitet mit Sauerteig», sagt Markus licher, was besonders für Konsumenten
Gfeller. Dabei wird dem Brotteig ein mit Reizdarm von Bedeutung ist. Früher
Anteil Sauerteig beigemengt. Einen stand der Weizen als Ursache für schwer
Sauerteig anzusetzen ist im Grunde verdauliches Brot in Verdacht. Inzwi-
einfach: Mehl und Wasser, dazu noch schen haben Wissenschaftler aber fest-
ein Bioapfel mit Schale, mehr braucht gestellt, dass eine lange Teigführung und
es nicht. Durch die ohnehin in den Zu- die damit verbundene Gärung wesentlich
taten vorhandenen Bakterien beginnt zu bekömmlichem Brot beiträgt. «Gross-
der Teig im Verlauf mehrerer Stunden verteiler haben dafür aber keine Zeit»,
zu gären und verdoppelt sich. Gibt man sagt Gfeller und fügt an: «Eine Chan-
dann mehr Mehl und Wasser dazu, wie- ce für kleine Bäckereien wie uns. Wir
derholt sich dieser Prozess. Der Bäcker können unsere Teige bis zu 48 Stunden
behält immer rund zehn Prozent die- gehen lassen, bevor wir sie in den Ofen
ses Sauerteigs und vermehrt ihn wieder schieben.» Ein Beispiel: Das als «Luus-
am nächsten Tag und am nächsten und bueb» bekannte Brot verweilt als Vor-
so weiter. Gfeller mahnt jedoch: «Man teig 24 Stunden im Kühlschrank, erhält
kann den Sauerteig nur einen bis zwei dann Sauerteig beigemengt und kommt
Tage stehen lassen, sonst sind die Bak- nochmals für 24 Stunden in den Kühl-
terien tot.» Und mit einem Anflug von schrank. Dann erst wird der Teig abge-
Stolz fügt er an: «Unser Sauerteig ist stochen, verzwirbelt und gebacken.
bereits 20 Jahre alt.» Gfeller ist von den Eigenschaften des
Doch wozu dieser Aufwand? Dem Sauerteigs begeistert: «Wir haben über-
Markus Gfeller arbeitet überall dort, wo es Brot Sauerteig zuzugeben ist wichtig für all Sauerteig drin, mit reduziertem An-
ihn gerade braucht, sei es bei den Pralinés, die Qualität. Es erhält mehr Geschmack, teil sogar in den Gipfeli und im Zopf.»
den Torten oder wie hier bei den Gipfeli.