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Mittwoch, 17. November 2021 Lebensraum Zurzibiet 17
Jeweils die gleichen sechs Personen be- sie sich auch auf die Besuche der Spitex per-
treuen Anja Sievert, so wird ein enger Bezug fekt vor, legt bereits die Kleidung heraus, die
aufgebaut, man lernt sich gut kennen. «Sie immer zusammenpasst – sie hat ein Faible
mag es sehr, wenn ich das Bett schön her- für Mode. Die gepflegte Frau schminkt und
richte», schmunzelt Siwon. Sagt es und ver- frisiert sich auch selbst.
schwindet im Schlafzimmer, während Sie- Neu hat sie eine Maschine für das Bein-
vert selbstständig duscht. Zuvor half ihr die training, damit Knie und Füsse sich be-
Pflegefachfrau dabei, vom Rollstuhl in den wegen und elastisch bleiben. Von einem
elektrischen Badewannenlift zu gelangen. Schreiner hat sie sich eine rollende Ab-
lage massanfertigen lassen, die über das
Bett geschoben werden kann. «Ich bin
Professionelle Nähe froh, dass ich den Alltag bewältigen kann.
Kaum ist Sievert fertig, hilft ihr die Pflege- Es gibt derzeit noch vieles, was ich tags-
fachfrau wieder in den Rollstuhl. Im Schlaf- über zu erledigen habe – langweilig wird
zimmer cremt Siwon die Klientin, die jetzt es mir also nicht.» Um draussen unterwegs
auf dem Bett liegt, ein, und danach zie- zu sein, kann sie an ihrem Rollstuhl einen
hen die beiden Frauen die Kompressions- Vorspann anschliessen, der sie elektrisch
strümpfe, die bis zur Hüfte reichen, gemein- zieht. Wenn die Schmerzen in Armen oder
sam an. Immer wieder lachen sie, eine gros- Schultern zu gross werden, kann sie auf ih-
se Vertrautheit ist spürbar. ren Elektrorollstuhl ausweichen. Transfer vom Rollstuhl in den Badewannen-
«In der ambulanten Pflege sind die Emp- lift mithilfe des Transferbrettes.
fänger sehr dankbar», erläutert Siwon. Sie
freut sich über die Fortschritte – mögen sie Vielfältige Pflege
noch so klein sein. «Wir sind ausserdem im- Viele Menschen hätten zuerst Bedenken, ob
mer präventiv tätig, scannen Räume zum ein selbstständiges Leben wieder möglich
Beispiel nach Stolperfallen – das ist bei sein wird – mithilfe der Spitex funktioniere
mir schon völlig automatisiert.» Die Spitex das gut, verdeutlicht Siwon. «Irgendwann er-
macht auch an Wochenenden und Feierta- leben wir Erfolgserlebnisse.» So kann Anja
gen keine Pause. Die Pflegefachfrau schätzt Sievert zum Beispiel mittlerweile alleine du-
die professionelle Nähe zu den Menschen schen. «Wir nehmen Sorgen, Veränderungen
und die persönlichen Gespräche. «Wir sind und auch die Wohnung genau wahr und er-
ganz nah an den Menschen, wissen, was sie fassen Kleinigkeiten.» Wichtig bei ihrer Ar-
bewegt und erleben auch Geburtstage und beit seien Flexibilität, Individualität, Kreati-
Feiertage mit.» In der Pflege – wie in al- vität, Wohlwollen, Empathie, und auch Hu-
len anderen Berufen – sei es extrem wichtig, mor dürfe nicht fehlen. «Auch die Fähigkeit,
dass man abschalten könne, ist Siwon über- sich auf Menschen einlassen zu können.»
zeugt. «Das heisst aber nicht, dass ich nicht So brauche sie im Gespräch keine Floskeln,
auch nachmittags an sie denke.» höre sich einfach die Sorgen der Menschen
an. «Viele sind dankbar, wenn sie sich ihr
Leid von der Seele reden können.»
Modische Perfektionistin Die Spitex bietet nicht nur Langzeitpfle-
Anja Sieverts Wohnung ist hell, auf dem ge an, sondern begleitet Menschen auch
Sofa sind dekorativ angeordnete Kissen, nach Operationen oder Unfällen zurück
überall stehen Pflanzen in weissen Töpfen, ins Leben. «Wir übernehmen alles – vom
vor den Fenstern hängen schön drapierte Verbandswechsel bis hin zu Infusionen, Anja Sievert schätzt ein schön hergerich-
Vorhänge, die Wände zieren Fotos von Fa- Injektionen und Behandlungspflege», er- tetes Bett – die Pflegefachfrau weiss das.
milie und Freunden. Frische Schnittblumen klärt Aleksandra Siwon, die auch Fachver-
und der Blick ins Grüne runden die wohnli- antwortliche für die Palliative Care Pfle-
che Atmosphäre ab. In jedem Detail erkennt ge ist. Dabei wird schwerstkranken Men-
man Sieverts Perfektionismus. So bereitet schen eine höchstmögliche Lebensqualität
im letzten Lebensabschnitt zu Hause er-
möglicht. «Wir entlasten und unterstüt-
zen die Familien, beziehen sie aber auch
Der Verein Spitex mit ein. Wir sind einfach da und suchen
RegioKirchspiel nach bestmöglichen Lösungen für Klien-
ten, denn häufig verändern sich die Situa-
tionen schnell.»
Die Spitex RegioKirchspiel ist am 1. Ja-
nuar 2018 als neuer Verein gestartet. Ent-
standen ist er aus der Fusion der ehema- Grosse Dankbarkeit
ligen Spitex-Organisationen Kirchspiel Die Dankbarkeit ist gross, auch bei Anja
und Umgebung und Leibstadt-Schwa- Sievert. Im Eingangsbereich steht eine Scha-
derloch. Sie ist in den Gemeinden Bött- le mit Süssigkeiten, aus der sich die Pflege-
stein, Full-Reuenthal, Leibstadt, Leug- fachkräfte bedienen können, dahinter steht
gern, Mandach und Schwaderloch un- ein Schild mit der Aufschrift «Vielen lieben
terwegs. Neben der Pflege zu Hause Dank». Sieverts Wunsch für die Zukunft:
bietet die Spitex RegioKirchspiel auch Ein Auto mit Handbedienung statt Peda-
Beratungen, hauswirtschaftliche Leis- le und wieder einen geregelten Alltag. Ihr
tungen, Psychia trie pflege und Palliative stehen noch einige Operationen bevor – was
Care Pflege an. sicher ist: Aleksandra Siwon wird weiter an An der Haustüre steht immer ein kleiner,
ihrer Seite bleiben und sie unterstützen. süs ser Dank für Aleksandra Siwon bereit.