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Mittwoch, 11. November 2020 Lebensraum Zurzibiet 31
30 Jahre Gemeinschaft für Menschen
Lebensumstände können sich liegen zu sprechen. Alle Mitarbeiter un-
von heute auf morgen ändern terliegen der Schweigepflicht. «Gemein-
sam versuchen wir dann, Antworten auf
– bei «zurzibiet sozial» erhalten die drängendsten Fragen zu finden», sagt
Betroffene Unter stützung Firley.
in schwierigen Situa tionen.
Wegweisende Veränderungen
Die grösste Veränderung für den Verband ge-
DÖTTINGEN (sf) – Alle 22 Gemeinden schah 2013 mit der Umwandlung der Amts-
des Bezirks Zurzach bilden zusammen den vormundschaftsbehörde in den Kindes- und
Verband «zurzibiet sozial». Er besteht aus Erwachsenenschutzdienst Bezirk Zurzach
den drei Teilbereichen Mütter- und Väter- (KESD). Die Aufgaben der bisherigen Vor-
beratung (MVB), Jugend-, Familien- und mundschaftsbehörden (Gemeinderäte) gin-
Eheberatung (JFEB) sowie Kinds- und gen an die neu geschaffene Abteilung Ab-
Erwachsenenschutzdienst (KESD). Die teilung Familiengericht am Bezirksgericht
Suchtberatung ist ihm nur lose angeschlos- Zurzach, Kindes- und Erwachsenenschutz-
sen und grundsätzlich als Aargauische Stif- behörde KESB, über. Geändert hat sich da-
tung Suchthilfe (ags) kantonal organisiert, mit auch, dass der Entscheidungsträger nicht
wie Geschäftsleiter Frank Gantner erklärt. mehr die Kosten trägt. Aufs Jahr gerechnet
Geschäftsleiter Frank Gantner. sind es rund 375 bis 400 Mandate, die der
Mutige Visionäre KESD betreut. Die mildeste Form ist die
Begleitbeistandschaft, dann folgt die Vertre-
Vor über 30 Jahren gab es im Zurzibiet «Klar schlägt sich auch das Bevölkerungs- tungsbeistandschaft. Weiter gibt es eine Bei-
Menschen, die etwas wagten und sich an wachstum nieder», erklärt Mrose. «Mehr standschaft, wenn die Handlungsfähigkeit
eine innovative Idee herantrauten. «Sie Menschen, mehr Probleme, mehr Diversi- eingeschränkt ist – diese muss das Gericht
haben eine Chance gesehen, eine Pers- fikation.» Am Schluss seien das alles Res- verfügen. Ebenso wie den Entzug der Hand-
pektive anvisiert und durchgezogen», sag- sourcen, die zur Verfügung gestellt werden lungsfähigkeit, was zu einer Vormundschaft
te Verbandspräsidentin Elvira Mrose an müssen. Man wolle die Durchmischung der führt. «Davon gibt es aber nur wenige Fälle.»
der Jubiläumsfeier Mitte September. Sie Mitarbeitenden aufrechterhalten. «Wir müs- Bis 2012 waren die Bezirksämter die
strebten eine verbindliche Zusammenar- sen weiter interdisziplinär funktionieren», so vormundschaftlichen Aufsichtsbehörden,
beit zwischen verschiedenen einzelnen die Präsidentin. «Es ist auch wirklich toll, Anfang 2013 kam es zum grossen Schnitt.
Zweckverbänden und Vereinen an. Da- wie synergetisch wir miteinander arbeiten. «Man hat das professionalisiert, zum Teil
mals waren die Gemeindestrukturen viel Es ist ein Glücksfall, dass unter den Diens- mit einschneidenden Massnahmen», er-
kleiner. «Es war ein Glücksfall, dass man ten so eine grosse Wertschätzung herrscht», klärt Mrose. Die Mandate kommen nun
es so aufgezogen hat», ist sich Gantner si- bekräftigt Brigitte Firley, Stellenleiterin der direkt vom Gericht. Gerade im Erwachse-
cher. «Heute wäre es schwieriger, das auf- JFEB. «Es ist ein grosser Vorteil, dass man nenschutz sei durch diese Umstellung vie-
zugleisen.» alles noch im Bezirk hat», so Mrose. «Die les aufwendiger geworden, die Bürokra-
Ab 1988 wurden in den Gemeinden die Konstanz und gute Zusammenarbeit mit tie habe zugenommen. Mittlerweile habe
Satzungen vorbereitet, um etliche Einzel- dem Gemeindeverband unterstützen und man sich aber daran gewöhnt. «Mit dem
verbände in einem Gesamtverband zusam- erleichtern unsere Arbeit in der Mütter-Vä- Gericht besteht ein sehr guter Kontakt»,
menzufassen. Dabei waren der ehemalige ter-Beratung», lobt auch deren Stellenleite- so Gantner.
Lengnauer Vizeammann Alex Kramer und rin Silvia Fuchs.
der damalige Klingnauer Stadtammann
und Grossrat Walter Nef federführend. Verbandsstrukturen
Bis zum Jahr 1989 wurden die verschiede-
nen öffentlichen Beratungsstellen im Be- Der Vorstand von «zurzibiet sozial» besteht
zirk Zurzach durch separate Gemeindever- aus fünf Mitgliedern. Jedes Vorstandsmit-
bände oder Zweckverbände sowie privat- glied muss bei seiner Wahl gleichzeitig akti-
rechtliche Institutionen betrieben. ver Gemeinderat sein. Aus keiner Verbands-
gemeinde darf mehr als ein Mitglied dem
Synergetisch und interdisziplinär Vorstand angehören und kein Vorstandsmit-
glied darf gleichzeitig Abgeordneter sein.
Am 1. Januar 1990 wurde dann der Ge- An der Abgeordnetenversammlung gibt es
meindeverband Sozialdienste Bezirk pro Gemeinde noch einen Delegierten, der
Zurzach – heute «zurzibiet sozial» – ins aber – je nach Gemeindegrösse – mehrere
Leben gerufen. «Damals gab es noch Stimmen hat. Pro 1000 Einwohner gibt es
kaum Internet, die Vernetzung gelang jeweils eine. «Wir verfügen über grosse Stär-
trotzdem. Der persönliche Austausch ke und Stabilität, was Präsidenten und Mit-
war intensiv, man kannte sich gut», er- arbeiter angeht», so Gantner. Mrose ist erst
klärt Mrose. Heute funktioniere alles et- die dritte Präsidentin, ihre Vorgänger waren
was schneller und vernetzter, davon pro- Alex Kramer und Christian Schürch.
fitiere auch der Verband. «Doch den stei- Die Beratungen sind unentgeltlich, po-
genden Fällen gerecht zu werden, ist nicht litisch und konfessionell neutral. Sie bie-
immer einfach.» Seit Beginn haben sich ten einen geschützten Rahmen, um mit
die Fälle fast verdreifacht. einer Fachperson über persönliche An- Verbandspräsidentin Elvira Mrose.