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Mittwoch, 11. November 2020 Lebensraum Zurzibiet 29
Im Bann der Elektro-Pioniere zu bewegen vermag. Da sollte doch der
Strom auch Arbeit leisten können. Um die
Hin- und Herbewegung in eine Drehung
Das Radio entsteht umzusetzen, wurden anfangs Pleuelstan-
SCHNEISINGEN (fi) – 200 Jahre seit gen und Kurbelwellen verwendet, wie man
Oersted – Schritte der Elektrizitäts-Nut- Für die drahtlose Kommunikation haben sie von der Dampfmaschine kannte. Der
zung. Willy Eisele blickt zurück. von Braun bis Hertz zahlreiche Forscher erste Rotationsapparat mit Stromwender
«Vor 200 Jahren hat Christian Oers- Vorarbeit geleistet. Guglielmo Marconi wurde vom Ungarn Istvan Jedlik erfun-
ted die Beziehung zwischen Elektrizi- schaffte 1896 ein Senden und Empfan- den. Der Motor läuft mit Gleichstrom. Je
tät und Magnetismus entdeckt, doch nie- gen über die Entfernung von einem Ki- nach Ankerstellung muss man ihm einen
mand spricht von ihm», bedauert Willy lometer. Bereits 1901 vermochte er eine «Schupf» geben, damit er anläuft.
Eisele, «dabei hat Oersted das Funda- Verbindung über den Atlantik herzustel- «Oszillierende Elektromotoren wurden
ment für die elektrische und elektroni- len. In der Anfangszeit wurden Radiosen- von 1830 bis etwa 1870 gebaut», schreibt
sche Welt von heute gelegt!» Viele Jubi- dungen mit Detektoren empfangen. Diese Eisele in seinen Aufzeichnungen. Heute
läums- und Gedenkjahre werden gefei- waren billig und kamen bloss mit der An- werden solche Motoren fast nur noch für
ert. Andere gehen unter. Oersted und tennenenergie aus. Mit der Erfindung der elektrische Klingeln, für Wasserpumpen
anderer Pioniere soll hier gedacht wer- Verstärkerröhre begann dann der Auf- in Kaffeemaschinen und für elektrische
den – einem Schneisinger sei Dank. Eise- schwung der neuen Technik. Willy Eisele Zahnbürsten verwendet.
le kennt Fakten, Namen und Jahreszah- berichtet, dass die ersten Radioversuche Der Vorläufer heutiger Elektromotoren
len und er hat viel Anschauungsmateri- in der Schweiz 1922 in Lausanne stattge- und Generatoren wurde 1837 vom Ame-
al. Seine historischen Apparate stehen rikaner Thomas Davenport gebaut und
nicht nur im Schaukasten. Sie funktio- patentiert. Der Motor läuft ab etwa 1 Volt
nieren allesamt. Gleichstrom. Der Franzose Paul-Gusta-
ve Froment baute oszillierende und rotie-
Oersted, Faraday und so weiter rende Elektromotoren als Studienmodel-
le und für kleine Leistungen. Er erkann-
Der dänische Professor Christian Oers- te, dass die rotierenden Maschinen einen
ted hat 1820 mit einem Stromleiter expe- besseren Wirkungsgrad haben.
rimentiert. Er wollte wissen, ob die Elek-
trizität auch um die Ecke oder durch ei- Zwischen Gleich- und Wechselstrom
nen gequetschten Draht fliesst. Der
Draht führte zufällig über einen Kom- Vorauszuschicken ist, dass sich die Elekt-
pass hinweg. Da bemerkte Oersted, dass romotoren auch als Generatoren betreiben
jedes Mal beim Einschalten des Stroms Professor Christian Oersted bei seinem liessen. Mit ihnen konnte endlich Strom
die Kompassnadel ausschlug. Er hatte die berühmten Versuch mit der Magnetnadel. erzeugt werden, der nicht galvanisch oder
Beziehung zwischen Elektrizität und Ma- statisch gewonnen wurde. Hippolyte Pixii
gnetismus erkannt. Die Erkenntnis ver- baut 1832 den allerersten elektromechani-
breitete sich wie ein Lauffeuer. Micha- funden haben. Da gab es einen Techniker, schen Generator für Wechsel- und Gleich-
el Faraday – bekannt für den Faraday- der zugleich auch Sprecher war. Noch wei- strom mit mechanischem Antrieb. Dank
schen Käfig – fand heraus, dass bei der tere Stadt-Sender wurden eingerichtet, bis dieser Erfindung ist heute jede Wohnung
Bewegung eines Magneten in einer Spu- 1931 der Landessender Beromünster den am Strom angeschlossen. Dem vorwiegend
le Strom fliesst. 1831 hat er die Indukti- Betrieb aufnahm. in den USA geführte Krieg Gleichstrom
on entdeckt. Was Oersted und Faraday (Edison) gegen Wechselstrom (Tesla) wur-
erkannt haben, ist nichts weniger als das Der Vorgänger der Schallplatte de bei der Maschinenfabrik Oerlikon ein
Fundament der Elektrotechnik. Ende gesetzt, indem mit einer Versuchs-
«Phonograph» ist etwa mit «Tonaufzeich- anlage Wechselstrom von 30 000 Volt bes-
Auf dem Weg zum Telefon ner» zu übersetzen. Die erste solche Auf- tens 10 Kilometer weit übertragen werden
zeichnung schaffte 1858 Edouard-Leon konnte. Weil sich Gleichstrom nicht trans-
Die elektromagnetische Induktion nutz- Scott. Die Wiedergabe des Tons gelang formieren lässt, musste man sich mit Serie-
te Antonio Meucci 1857 bei der Kon- ihm aber noch nicht. Dieser Schritt ge- Schaltungen behelfen, um mit der vorhan-
struktion seiner Sprech- und Hörkap- lang 1877 dem berühmten amerikani- denen Spannung zurecht zu kommen.
sel. Philipp Reis entwickelte diese 1858 schen Erfinder Thomas Alva Edison und
bis 1861 weiter für die Herstellung wis- seinem Schweizer Assistenten John Krue- Strom in der Mobilität
senschaftlicher Demonstrationsobjekte. si. Sie zeichneten den Ton auf einer Zinn-
Die Nutzanwendung kam später. Lange folie auf, die auf einer Walze rotierte und Elektrische Antriebe wurden auch für
galt Alexander Graham Bell als Erfin- konnten ihn auch wieder hörbar machen. Bahnen interessant. 1898 wurde See-
der des Telefons. Er wusste, dass Eli- 1877 erfand Emil Berliner die Schallplat- bach–Wettingen als erste Strecke elektri-
sha Gray dieselben Pläne wälzte und te und gründete 1898 die Deutsche Gram- fiziert. Die Vitznau-Rigi-Bahn fährt seit
kam diesem beim Patentanwalt um zwei mophon-Gesellschaft. 1937 elektrisch. Als wegen des Zweiten
Stunden zuvor. Heute tragen wir mit dem Smartpho- Weltkriegs kaum mehr Kohle eingeführt
Obschon Grays Entwicklung weiter ne das Telefon, das Radio und das Ge- werden konnte, bekam die Elektrifizie-
fortgeschritten war, bekam Bell das Pa- rät für Tonaufnahme und -wiedergabe rung weiteren Schub.
tent und konnte es in vielen Prozessen in der Hosentasche. Und es kann noch Noch viel wäre zu berichten – etwa von
verteidigen. Dennoch ist ihm 2002 die viel mehr! den Transistoren und den LED. Doch soll
Erfindung abgesprochen worden. Zur diese jüngere Historie hier nicht ausge-
Weiterentwicklung des Fernsprechers breitet werden. Die ältere ist spannend
haben Werner Siemens, Matthäus Hipp Motorengeschichte(n) genug – man lasse sie sich von Willy Ei-
(ein Schweizer), Emil Berliner und viele Nach Oersted und Faraday war bekannt, sele erzählen und mit den schönen Appa-
mehr beigetragen. dass Strom in einer Spule einen Eisenkern raten vorführen.