Page 29 - Lebensraum-2018
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Lebensraum Zurzibiet «Die Botschaft» Mittwoch, 31. Oktober 2018 29
Das meistgelesene Schweizer Paar
Seit 18 Jahren schreiben
Sybil Schreiber und Steven
Schneider eine Kolumne
über ihr Leben als Paar.
BAD ZURZACH (chr) – «Ich bin
ein absolutes Stadtkind», sagt Sybil
Schreiber über sich. Sie ist in Mün-
chen aufgewachsen und hat in New
York und Zürich gelebt. Wie kommt
es, dass sie heute im Zurzibiet da-
heim ist? «Er hat mich hierher ver-
schleppt», sagt sie und schaut mit
einem verschmitzten Lächeln zu
ihrem Ehemann. Dann ergänzt sie:
«Eigentlich war es der schöne Apfel-
baum, in den ich mich verliebt habe».
Steven Schneider erklärt: «Wir hat-
ten in Zürich zwar eine lässige Woh-
nung im Seefeld, aber wir hatten das
Bedürfnis nach mehr Lebensraum.»
Auf der Suche im weiteren Umkreis
– auch Appenzell oder Graubünden
wären infrage gekommen – lande-
ten sie in Bad Zurzach. Auf einem
Grundstück an der Neubergstrasse,
mit oben erwähntem Apfelbaum, Steven Schneider und Sybil Schreiber mit Hündin Lilla beim Äpfelsammeln unter ihrem Boskoop-Baum.
bauten sie sich ein Haus.
«Eine neue Welt aufgegangen» Redaktion der «Schweizer Fami- mehrere Angebote von gros sen Wo- gemeindehäusern und Bibliotheken
«Hier gibt es alle wichtigen Bs», er- lie» gearbeitet hatten, wurden Sy- chenzeitschriften, Magazinen und sind inzwischen mehr als bloss Le-
klärt Schreiber, «wie Bahnhof, Bib- bil Schreiber und Steven Schneider Sonntagszeitungen, die «Schreiber sungen. «Es hat sich zu einem Paar-
liothek oder Brillengeschäft.» Und ein Paar, inzwischen mit zwei Töch- vs. Schneider» übernehmen wollten. Kabarett entwickelt», sagt Sybil,
ihr sei eine neue Welt aufgegangen: tern im Teenager-Alter. Sie entschieden sich für die Coop- «Standup Comedy im Sitzen» er-
«Selbstgepflückte Erdbeeren vom zeitung, mit 2,6 Mil lionen Leserin- gänzt Steven.
Ruckfeld, der Rhein vor der Haus- Beckenboden-Training statt nen und Lesern das grösste Print- Neben den Kolumnen und den
türe, ein Ort, der lebt und dessen Skigymnastik medium der Schweiz, womit sie defi- Lesungen ist das «Hirschli» ein
Menschen uns herzlich empfangen Der berufliche Erfolg und die heu- nitiv zum meistgelesenen Schweizer wichtiges gemeinsames Projekt der
haben. – Und wenn ich Sehnsucht tige Bekanntheit kamen Schritt für Paar geworden sind. «Mehrere ver- beiden. Nachdem sie das historische
nach der Stadt habe, fährt jede hal- Schritt. «Vieles hat sich einfach suchten, unsere Paarkolumne zu Messehaus an der Schwertgasse ge-
be Stunde ein Zug.» Für Schneider so ergeben», erzählen sie. Steven kopieren, aber das hat nicht funk- kauft und sanft renoviert haben, bie-
war es die Rückkehr in die Region Schneider war Kolumnist bei der tioniert», sagt Sybil, und «Humor ten sie hier Schreibkurse an. «Es ist
seiner Jugend. Der in Lugano ge- Frauenzeitschrift «Meyers», ehe- ist in unserem Leben ganz wichtig schön, bei den Kursteilnehmern die
borene Sohn eines Würenlingers mals «Meyers Modeblatt». «Schreib und Selbstironie zentral.» «Wir sind Lust am Schreiben zu wecken», sagt
und einer Italienerin wuchs in Sig- doch mal was zusammen mit Sybil», Mängelexemplare, versuchen aber, Steven und Sybil ist stolz, dass die
genthal Station auf, wo die Kunst- habe es da geheissen, auch wegen das Beste daraus zu machen», er- Kulturwoche im Hirschli mit be-
steinfabrik seines Grossvaters und der passenden Namen «Schneider gänzt Steven. Heute haben die bei- freundeten Künstlern im Juni so gut
die Umgebung sein Spielplatz wa- und Schreiber». In einer der ers- den immer etwas zum Aufschreiben besucht war. «Das ist etwas, das in
ren. «Deutsch gelernt habe ich erst ten Paarkolumnen beschrieben die dabei, sei es im Auto oder auf dem der Umgebung noch fehlt: Eine Kul-
im Kindergarten». Nach der Kan- beiden den Besuch eines Kurses in Nachttisch. «Sonst ist die Idee weg.» turkneipe wie zum Beispiel Fricks
tonsschule in Wettingen und der einem Zürcher Quartierzentrum. Sind eigentlich alle Geschichten so Monti.»
Lehrerausbildung in Zofingen un- «Ich meinte, es gehe um Skigymnas- passiert? «Ja, wobei wir manchmal Und sie haben beide mit Solo-
terrichtete er in Rekingen. Bereits tik», sagt Schneider, «doch es wa- Details anpassen.» Geht es um das projekten Erfolg: Sybils erstes Buch
als Jugendlicher schrieb er Match- ren nur Frauen da.» Und er merkte Freibad, passt das nicht in den Ok- «Sophie hat die Gruppe verlassen»
berichte für den FC Würenlingen. bald, dass er in ein Beckenboden- tober. «Dann erscheint der Text erst ist im März herausgekommen und
Als Hazy Osterwald am Musikfest Training geraten war. «Die coolen im nächsten Sommer oder wird ins sie wurde damit an die Literaturta-
im Dorf als Stargast auftrat, klopf- Zürcherinnen fanden das toll, dass Hallenbad verlegt». ge nach Solothurn eingeladen. Ste-
te er bei dessen Garderobe in einem sich auch ein Mann dafür interes- vens neues Buch über Männer und
Bauwagen an. Die Reportage in der siert und mitmacht.» «Standup Comedy im Sitzen» die Liebe wird im Februar 2019 er-
«Botschaft» war sein erster grösse- Die gesammelten Kolumnen sind scheinen.
rer Zeitungsbericht. Von «Meyers» zur Coopzeitung auch in Buchform ein riesiger Er- Wie sieht die Zukunft aus? «Ich
Von einem Auslandaufenthalt im Inzwischen sind 18 Jahre vergangen, folg. Aus gelegentlichen Lesungen glaube, wir werden auch im Alters-
Sultanat von Oman sandte er regel- in denen sie Woche für Woche über hat sich eine wichtige Nebenbe- heim noch Kolumnen schreiben»,
mässig Berichte nach Hause, die in Freud und Leid im Leben als Paar schäftigung für die beiden ergeben. sagt der heute 54-jährige Steven
verschiedenen Lokalzeitungen er- und als Familie berichteten und da- An 40 bis 50 Abenden pro Jahr sind und die 55-jährige Sybil meint: «Äl-
schienen. Dann stieg er in den Jour- bei kaum ein wichtiges Thema aus- sie in der ganzen Schweiz unterwegs. ter werden ist eine Abenteuerreise».
nalismus ein. Nachdem die beiden liessen. Als «Meyers» nicht mehr ge- Und die Veranstaltungen in Mehr-
zwei Jahre lang zusammen auf der druckt wurde, erhielten die beiden zweckhallen, Gasthofsälen, Kirch- www.schreiber-schneider.ch