Page 51 - Lebensraum-2018
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Lebensraum Zurzibiet  «Die Botschaft»                                                Mittwoch, 31. Oktober 2018  51


                 Anhänger ins Obergoms und lie-  digbräu AG muss zuerst den Platz  – und mussten auf Einwegflaschen
                 ferten 2500 Flaschen (3dl) Heidel-  haben, um den Sud dann auch fünf  wechseln – für «Experimente» wie
                 beer-Bier ab. Dafür hatten sie in ih-  bis sieben Wochen gären zu lassen in  das Heidelbeer-Bier waren und sind
                 rem Rietheimer Sudhaus mit Pfan-  den auf ein Grad gekühlten Tanks.  die Kündigs aber immer zu haben.
                 ne, Gärbottich und Whirlpool nicht  Kommt hinzu: sHus-Bier ist nach  Es ist vermutlich kein Zufall, dass
                 weniger als 900 Liter Bier gebraut.  wie vor das mit Abstand am meis-  auch das Rezept des inzwischen
                 Die mit dem Mixer zerkleinerten  ten verkaufte Bier der Brauerei und  bekannten Zürich  Airport Beer
                 27,5 Kilogramm Heidelbeeren –  kommt überall gut an. Man könnte  (ZAB), das vor acht Jahren lanciert
                 frisch geerntet, aber zu Lagerzwe-  also auch einfach beim Bewährten  wurde und bis heute nur in Bars am
                 cken eingefroren – die hatten sie im  bleiben. Aber die Kündigs sind Bier-  Flughafen und in der Bar des Flug-
                 Brauprozess dem Whirlpool beige-  brauer aus Leidenschaft und wollen  hafenhotels Radisson erhältlich ist,
                 fügt. So nimmt das Bier den Heidel-  nicht stehen bleiben.  ebenfalls aus dem Hause Kündig
                 beer-Geschmack an, ohne dass aber   Sie haben jüngst massiv inves-  stammt. Alle zwei Wochen wird eine
                 die Farbe des Getränks rötlich wird.  tiert in die Brauerei und unter an-  Ladung ZAB von Rietheim an den
                                              derem drei neue, fast haushohe 3000  Flughafen geliefert. Auch für Ideen
                 Neuland betreten zahlt sich aus  Liter-Tanks angeschafft. Mit Kran-  und Kreationen wie 1500 Flaschen
                 Wer heute mit René und Roger Kün-  lader und via Dach mussten sie ins  «Steibrecher-Bier» zum 30-Jahr-Ju-
                 dig über den Bierbrau-Alltag und  Gebäude der Brauerei gehievt wer-  biläum des Steinbruchs Mellikon
                 die Walliser Coproduktion spricht,  den. Auch eine Flaschenfüllanlage  oder das Spezialbier für die Basler
                 merkt bald, dass das Walliser Aben-  steht inzwischen in den «heiligen  Beiz «Didi Offensiv» oder das offi-
                 teuer keineswegs zwingend wäre –  Hallen» der Brauerei. Damit konn-  zielle Rega2018-Bier sind die Kün-  Am beliebtesten: s'Hus-Bier.
                 und auch eine logistische Herausfor-  te die Kadenz von 150 gefüllten Fla-  digs zu haben. Nicht immer wird
                 derung ist. Denn: Der Bier-Absatz  schen pro Stunde auf 800 Flaschen  dafür ein neues Rezept entwickelt,
                 im Hause Kündig ist da, die Tanks  erhöht werden. Die beliebten Bü-  wie das beim Heidelbeer-Bier der  dennoch verbunden. Um sie zu re-
                 sind meist voll und Neuerfindungen  gelflaschen können sie aus Kapazi-  Fall war, aber mit Kosten und Auf-  alisieren, braucht es Machertypen –
                 müssen gut überlegt sein. Die Kün-  tätsgründen zwar nicht mehr führen  wand sind solche Sonderaktionen  Machertypen wie die Kündigs.


                 Rietheimer Bier im Obergoms – das ist  auch zur zweiten Zurzibieter Firma,  de Hausen und wird seit Frühjahr 2018
                 inzwischen mehr als einfach eine Bier-  der wir über die Schulter schauen: der  durch Veronika und Robert Kühnis aus
                 idee. Möglich wurde es, weil alle Be-  Vögeli Holzbau AG. Das Treffen fin-     Windisch (aber mit Würenlinger Wur-
                 teiligten Mut bewiesen, weil sie bereit  det allerdings nicht im Zurzibiet statt,  zeln) restauriert. Als eine der wenigen
                 waren, neue Wege zu gehen – und weil  sondern in Hausen bei Windisch. Nicht  Holzbaufirmen der Deutschschweiz,
                 sie ihr Handwerk verstehen. Das eige-  irgendwo in Hausen, muss angefügt  die sich auch auf historischen Holzbau
                 ne Handwerk von Grund auf verste-      werden, nein, an der Holzgasse 13. Dort  spezialisiert haben, ist die Firma Vöge-
                 hen (und weiterentwickeln), den Mut  steht das weitherum bekannte «Dahli-      li Holzbau AG stark involviert in die
                 haben unkonventionelle Wege zu neh-    haus». Es ist mit 458 Jahren das älteste  anspruchsvolle Instandstellung des ge-
                 men und gelebte Kreativität – das passt  und letzte Hochstudhaus der Gemein-   schichtsträchtigen Hauses.



                 Es ist Ende September. Auf der Bau-  Neben dem eigentlichen Alter und  aussergewöhnlichen Gebäuden. Die  ist nämlich kein so legerer Bauherr
                 stelle des  «Dahlihauses» herrscht  dem Charakter des Hochstudhau-  kantonale Denkmalpflege arbeitet  wie man auf Anhieb meinen könnte.
                 Hochbetrieb. Bauherr und Baulei-  ses fasziniert sie das Gebäude ins-  gern mit ihm zusammen, denn er  Zwei weitere Kriterien müssen nach
                 ter vor Ort ist Robert Kühnis. Mit  besondere aus Holzbauer-Sicht.  geht oft weiter als es die Vorschrif-  dem Umbau unbedingt erfüllt sein:
                 dem klassischen  Architekten  hat  Nef weiss aus Erfahrung, dass sol-  ten verlangen. Vor einigen Jahren  Der sanierte Bau – Kühnis selbst
                 der Tausendsassa mit der wilden Fri-  che Bauwerke seinen Mitarbei-  hat er beispielsweise das Windischer  spricht von einem «alten Haus von
                 sur auf den ersten Blick – und auch  tenden extrem spannende und ab-  Fährhaus saniert. Jenes grosse Ge-  Rocky Docky» das zu einer attrak-
                 auf den zweiten – wenig gemeinsam.  wechslungsreiche Arbeiten bieten,  bäude, das direkt an der Reuss steht,  tiven Lady wird – soll in allen Be-
                 Kühnis ist ein Querdenker, unkon-  gleichzeitig ist ihm bewusst, dass die  kurz bevor die Strasse von Geben-  reichen heutigen Wohnansprüchen
                 ventionell und kreativ, Spezialist  gestellten Aufgaben nicht einfach zu  storf her nach Windisch hinaufführt.  genügen. Ausserdem soll es möglich
                 und Generalist in einem. Das zeigt  meistern sind. Das Team von Holz-  Es war damals, im Jahr 2011, das ers-  sein, die im Haus realisierten Woh-
                 sich bereits nach wenigen Minuten.  bau Vögeli muss kreativ sein, und  te denkmalgeschützte Gebäude im  nungen für Mietpreise zu vermie-
                 Das wichtigste aber: Kühnis geht  zwar konsequent, trotzdem dürfen  Kanton Aargau, welches mit einem  ten, die unter den Mietpreisen von
                 mit selten gesehener Hochachtung  die zentralen Grundsätze des Holz-  Minergie-Zertifikat ausgezeichnet  Neubauwohnungen gleicher Grös-
                 vor dem Bauobjekt ans Werk. Die  bau-Handwerks nie ausser Acht ge-  wurde.              se liegen. Das ist gelinde gesagt an-
                 458 Jahre, die in Teilen des Dahli-  lassen werden. Im Dahlihaus treffen                spruchsvoll.
                 hauses stecken, scheint er aufgeso-  Baustile und Bautypen aus mehre-  Nichtalltägliches Haus    Als wäre dies der Anforderun-
                 gen zu haben – und er will sie mit der  ren verschiedenen Jahrhunderten   braucht nichtalltägliche Holzbauer  gen nicht schon genug, hat Robert
                 Restaurierung des geschichtsträch-  aufeinander und durch die sehr ho-  Minergie – das ist beispielsweise  Kühnis einen weiteren Anspruch:
                 tigen Baus wieder erlebbar machen.  hen Dächer werden die Arbeitsbe-  auch eines der Stichworte, die im  Der Visionär möchte den «Geist»
                 Ein Anspruch, der es durchaus in  dingungen extrem herausfordernd.  zu erreichenden Katalog an Eigen-  dieses Hauses, dessen Zukunft im
                 sich hat.                    Vorsicht ist eine permanent gebote-  schaften vorkommen und die das  Dorf während ganzen fünf Jahren
                   Ebenfalls vor dem Gebäude an-  ne Pflicht, ein Fehlentscheid hätte  Dahlihaus nach der Renovation un-  intensiv diskutiert wurde und das
                 zutreffen ist an diesem Vormittag  unter Umständen gravierende Aus-  bedingt zu erfüllen hat. Der Ener-  samt des direkt nebenan stehenden
                 Anfang Oktober Georg Nef, Mit-  wirkungen.                 gie-Ausbaustandard soll über dem  Schuhmacherhüsli schliesslich für
                 eigentümer und Geschäftsfüh-   Kommt hinzu, dass die Ansprü-  Standard liegen. Diesbezüglich gilt  365 000 Franken an Veronika und
                 rer der Vögeli Holzbau AG. Er ist  che, die Bauherr Kühnis an den fer-  es zu bedenken: Minergie ist schnell  Robert Kühnis verkauft wurde, wie-
                 mit seinem Projektleiter, Vorarbei-  tigen Bau stellt, hoch sind. Er ist in  gesagt, die Umsetzung aber hat es  der voll erlebbar machen. Der Hans
                 ter Robin Hirt, gekommen. Bei-  den Bezirken Brugg und Zurzach  in sich. Doch Minergie ist erst der  Dahli, der der letzte Bewohner des
                 den ist die Leidenschaft fürs Dah-  inzwischen sehr bekannt für seine  Anfang. Robert Kühnis, dieser um-  Hauses war und der bis 1967 im
                 lihaus-Projekt sofort anzumerken.  mutigen Sanierungsprojekte von  triebige Hansdampf in allen Gassen,  Erdgeschoss gewohnt hat – ohne 
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