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Mittwoch, 13. November 2019 Lebensraum Zurzibiet 27
Vom Schwarzpulver
zum Pump-Truck
Als erster von Menschen genutzter
Sprengstoff gilt das Schwarzpulver.
Diese Mischung aus Salpeter, Holz-
kohle und Schwefel wurde wahrschein-
lich in China erfunden. Ab dem Mittel-
alter nutzten es die Europäer für ihre
Feuerwaffen und als Sprengstoff. Ge-
gen 1850 folgten erste synthetischen
Sprengstoffe wie Nitroglycerin und
Zellulosenitrat, deren Handhabung
aber wegen der grossen Erschütte-
rungsempfindlichkeit sehr gefährlich
war. Auch mit dem 1866 von Alfred
Nobel erfundenen Dynamit passierten
immer wieder schwere Unfälle.
Die drei Sprengstoffmagazine mit Verladerampen im Steinbruch Musital. Über die Jahrzehnte wurden immer
wieder neue Sprengmittel entwickelt,
die sicherer, schlagkräftiger und billi-
los gelagert werden können. Die nötigen und versehen mit dem passenden Zünder, ger waren. Dazu gehörten Sprenggela-
Zündmittel, die eine präzise Explosion er- entfalten sie ihre Wirkung. tine (gelatiniertes Dynamit), Ammo-
möglichen, werden jeweils erst kurz vor nium-Dynamit (Ammonit), diverse
der Sprengung angebracht. Damit alles Ideale Lage im Steinbruch Mischungen von Dynamit mit ande-
nachverfolgbar ist, wird jeweils ein Mar- ren Sprengmitteln (Sicherheitsdyna-
kierstoff beigegeben. «Dank dieser Mar- Trotzdem sind die Vorschriften für die mite) oder das bis heute verwendete
kierung, die in jedem Produktionsjahr Sprengstoffproduktion und -lagerung nach Trinitrotoluol (TNT).
wechselt, kann sogar nach der Explosi- wie vor sehr streng. Kurt Suter bekam dies Aus Amerika kamen in den 1960er-
on festgestellt werden, woher der Spreng- am früheren Standort der Swissblasting in Jahren erstmals sogenannte «Slurry»-
stoff stammt», erklärt Kurt Suter. Jeden der Kiesgrube Weiach und später auf ei- Sprengstoffe nach Europa. Der Pump-
Sack, den Christian Castrischer mit Amo- nem alten Fabrikareal in Bülach zu spü- Truck, eine Art Sprengstofflabor auf
lit abfüllt, versieht er mit einer Etikette ren. «Bau- und Betriebsbewilligungen zu Rädern, revolutionierte das Sprengen
und scannt diese ein. Über die verarbei- erhalten war schwierig und die Vermietung in den Steinbrüchen. Auf einem Last-
tete Menge wird genau Buch geführt. Und von Wohnungen oder Gewerberäumen in wagen werden dabei die Bestandteile,
jede Packung erhält ein Ablaufdatum, das der Nähe ebenfalls», erklärt er. Der abge- die für sich alleine nicht explosiv sind,
bestimmt, wie lange der Sprengstoff ein- legene Steinbruch Musital, der nach der aus festen Brennstoffen und nicht ex-
gesetzt werden darf. Einstellung der Zementproduktion in Re- plosiver Lösung direkt am Bohrloch zu
Der ausgebildete Sprengmeister Christi- kingen nicht mehr industriell genutzt wur- schlagkräftigem Sprengstoff vermischt.
an Castrischer arbeitet nicht nur in Rekin- de, war da ideal. Die Neubauten wurden Solche flüssigen Sprengstoffe waren
gen, sondern ist manchmal auch mit einem vorwiegend unterirdisch angelegt, womit die Grundlage für den Erfolg der Fir-
«Pump-Truck» unterwegs. Mit diesen Last- sie das Landschaftsbild kaum stören. Ein ma Swissblasting, deren Vorgängerfir-
wagen, einer Art Sprengstoff-Labor auf Besuch in der speziellen Naturlandschaft ma Haniel Blasting AG im Jahr 1969
Rädern, werden die Bestandteile erst vor des Steinbruchs ist immer empfehlenswert, in Basel gegründet worden ist.
Ort – im Steinbruch oder auf der Tunnel- wobei die wenigsten Besucher überhaupt Wesentlich älter ist die «Société Su-
baustelle – zusammengemischt. Wie bei ei- etwas davon mitbekommen, dass sich hier isse des Explosifs» (SSE), zu der die
nem Zweikomponenten-Klebstoff sind die die Zurzibieter Filiale eines Sprengstoff- ehemalige Swissblasting heute ge-
Teile für sich ungefährlich. Erst zusammen, Konzerns befindet. hört. Das 125-jährige Unternehmen
mit Hauptsitz in Gamsen bei Brig be-
schäftigt 600 Mitarbeiter in neun Län-
dern. «Die Société Suisse des Explosifs
ist heute Marktführer in der Schweiz,
in Deutschland und in Polen», sagt
CEO Daniel Antille. Weil der Markt
für Sprengstoffe eher rückläufig ist,
hat das Unternehmen in den Bereich
Feinchemie expandiert und produziert
zum Beispiel ein Mittel gegen Magen-
beschwerden und Teile eines Medika-
ments gegen Herzbeschwerden. «Der
Standort Rekingen ist für uns heute
vor allem als Lager- und Umschlag-
platz für Sprengstoff wichtig», sagt
Daniel Antille, der hier noch Poten-
zial sieht. «Ich kann mir gut vorstel-
len, dass wir die Räume im Steinbruch
künftig wieder stärker nutzen werden,
vielleicht auch für eine andere Sparte
unseres Unternehmens.»
Der ehemalige Besitzer Kurt Suter mit einer Produktionsanlage.