Page 29 - Lebensraum-2019
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Mittwoch, 13. November 2019                 Lebensraum Zurzibiet                                                29
















































           Brandruine des ehemaligen Escherhofes in Kaiserstuhl.

           Alfred Eschers Leben                    Umstrittener Pionier
           Alfred Escher, geboren am 20. Februar   Eschers wirtschaftlicher und politischer
           1819, wuchs rund vierhundert Jahre später   Einfluss im 19. Jahrhundert sucht seines-
           in begüterten Verhältnissen in Zürich auf,   gleichen. Der Wirtschaftspionier war nicht
           sein Vater machte in den USA mit Speku-  zimperlich, hatte ein enormes Durchset-
           lationen – und durch eine Sklavenplantage   zungsvermögen. Ein wesentlicher Be-
           auf Kuba – ein Vermögen. Die Mutter hatte   standteil seines Erfolgs waren die guten
           aristokratische Wurzeln, als Knabe genoss   Kontakte und Netzwerke, die er pflegte.
           er Privatunterricht. Als junger Mann wur-  Es gelang ihm, die Nachbarländer für den
           de er Teil der radikal-liberalen Bewegung,   Alpendurchstich zu begeistern. Das Denk-
           die sich für die Freiheit der Universitäten   mal am Hauptbahnhof erinnert an seine
           einsetzte und der Vorgängerin der heuti-  entscheidende Rolle beim Bau des Gott-
           gen FDP entspricht. Bereits mit 28 Jahren   hardtunnels. Prunkvoll steht der Industrie-
           wurde Escher Regierungsrat. Er reformier-  magnat auf dem Bahnhofsplatz und blickt
           te die Zürcher Gymnasei und arbeitete an   hoffnungsvoll Richtung Gotthard. Der
           der Erschaffung einer nationalen Akade-  Vertreter des Industriekapitalismus mach-
           mie – der späteren ETH – mit.           te sich jedoch nicht nur Freunde. Arbeiter
             Escher wirkte auch an der demokrati-  drohten mit der Zerstörung des Sinnbil-
           schen Verfassung des 1848 neu gegründeten   des für Protz.
           Bundesstaates mit. Die Infrastruktur der   Unter harten Bedingungen schufteten
           Schweiz war allerdings angesichts der sons-  Arbeiter, Ingenieure und Mineure zehn
           tigen Entwicklungen in Europa rückständig.   Jahre am Gotthardtunnel. Fast 200 star-
           Escher trieb den Ausbau der Eisenbahn,   ben. Als der Tunnel 1882 eingeweiht wur-
           die in der Schweiz bis dahin nur aus den 23   de, fehlte jedoch Initiator Escher. Er lag
           Kilometern zwischen Baden und Zürich be-  63-jährig im Sterben. Ihn plagten Asthma,
           standen hatte, entscheidend voran. Heikel   Fieber und Eitergeschwüre. Damals war die
           war hier, dass er als Regierungsrat und Na-  Gotthardgesellschaft – unter Eschers Füh-  Das Escherdenkmal vor dem Hauptbahn-
           tionalrat viele Bewilligungen erteilte, die er   rung – finanziell stark angeschlagen. Nur   hof in Zürich.
           selber als Unternehmer eingereicht hatte.   mit Unterstützung aus Italien, Deutschland
           Um die Finanzierung des Bahnausbaus si-  und der Schweiz konnte der Tunnel fertig-
           cherzustellen, gründete er 1856 die Schwei-  gestellt werden. Escher trat – auf Druck   Tod die Errichtung eines Denkmals. Des-
           zerische Kreditanstalt (spätere Crédit    des Bundesrates – als Gesellschaftspräsi-  sen Sockel schmücken sagenhafte Figuren
           Suisse). Damit legte er auch den Grund-  dent zurück und starb bald darauf. Trotz-  der Schweiz und bald ist der Nationalheld
           stein für den Finanzplatz Zürich.       dem beschloss man ein Jahr nach seinem   Escher geboren.
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